Individualisten mit Herzblut

Individualisten mit Herzblut

Wenn der Inhaber einer freien Autowerkstatt nach einem Unfall plötzlich querschnittgelähmt ist, liegt es eigentlich nahe, den Betrieb um Handicap-Umbauten zu erweitern. Bei Thorsten Limbach hat das eine ganze Zeit lang gedauert. Doch mittlerweile hat er sich zusammen mit seiner Frau Sandra und einem kleinen Team von Mitarbeitern auf individuelle Fahrzeugumrüstungen für Menschen mit Handicap spezialisiert. Beliebt ist das Unternehmen bei den Kunden auch, weil es keine „Umbaufabrik“ sein möchte, sondern eine familiäre Atmosphäre und die persönliche Beratung besonders pflegt.

Wenn ich mit dem Trike auf den kurvigen Landstraßen durchs Fichtelgebirge cruise, kann ich mich wunderbar entspannen“, sagt Thorsten Limbach am Ende unserer spontanen Spritztour. Und auch ich habe mich als beinamputierter Sozius auf dem bequemen und erhabenen Sitz hinter dem Fahrer vollkommen sicher gefühlt und das Easy-Rider-Feeling genossen. Dazu trugen natürlich die mal bewundernden, mal ehrfürchtigen Blicke der Passanten am Wegesrand und der Passagiere in den entgegenkommenden Autos ihren Teil bei. Mit dem Trike erregt man einfach Aufmerksamkeit und scheint den immer noch beneidenswerten Duft von Freiheit und Abenteuer zu versprühen.
Ein rebellischer Draufgänger ist Thorsten Limbach jedoch keineswegs. Im Gegenteil: Mit seiner ruhigen Art und der sonoren Stimme wirkt der 45-jährige Kfz-Techniker eigentlich in jeder Situation ganz entspannt. Wenn er ohne sichtbare Mühe die Greifreifen seines Aktivrollstuhls antreibt, scheint der Paraplegiker förmlich über das Betriebsgelände zu schweben. Den imposanten Dreirad-Roadster C2 von TRIKEtec, der mit dem PKW-Führerschein gefahren werden kann, hat Thorsten Limbach selbst behindertengerecht umgerüstet. Die Konstruktion eines auch optisch gut integrierten Handhebels, über den die Integralbremsanlage angesteuert wird, macht es möglich, dass auch Menschen ohne Beinfunktion die 61 PS starke Maschine souverän führen können. Der Umbau kostet etwa 600 Euro, auf Wunsch kann von Allrad-Limbach auch eine Rollstuhlhalterung am Trike realisiert werden.
Den Anforderungen von Menschen mit Handicap kommen die Dreirad-Roadster von TRIKEtec ohnehin schon entgegen, weil sie bereits serienmäßig mit einer halbautomatischen Tiptronic-Schaltung ausgestattet sind. Optional kann auf Knopfdruck eine Vollautomatik zugeschaltet werden. „Wir haben uns entschieden, Vertriebspartner von TRIKEtec zu werden, weil jedes der Modelle in punkto Technik, Verarbeitungsqualität und Sicherheit unschlagbar im Vergleich zu anderen Trikes ist“, betont Thorsten Limbach. Zum Sicherheitspaket gehören ähnlich wie bei einem modernen Auto ein elektronisches Traktions- und Stabilitätsprogramm, Antiblockiersystem, elektronische Bremskraftverteilung, Brems- und Anfahrassistent. Volle vier Jahre Garantie sind ein ebenso starkes Argument wie der geringe Verbrauch: Der C2-Roadster verbraucht als Turbo-Benziner knapp fünf Liter auf 100 km, die Diesel-Motoren sind noch sparsamer – satter Sound und open-air-Fahrspaß immer inbegriffen.

Mit Gebrauchtteilen für Geländewagen hat alles begonnen

Thorsten Limbach und seine Ehefrau Sandra haben ihr Unternehmen 1998 gegründet und handelten zunächst mit Gebrauchtteilen für Geländewagen von Isuzu und Opel – daher rührt der Name Allrad-Limbach. Als gut geeignetes und ausbaufähiges Domizil für eine freie Kfz-Werkstatt fanden sie ein ehemaliges Betonwerk in Trebgast bei Bayreuth und griffen zu. „Es war für mich keine leichte Entscheidung, nach Franken zu ziehen, aber ich habe mich hier doch recht schnell etabliert und an der fränkischen Lebensart Gefallen gefunden“, sagt Thorsten Limbach, der aus Berlin stammt. Mit Reparaturen und Services für alle Fahrzeugtypen in der eigenen Meisterwerkstatt begann der kleine Betrieb zu florieren. Hinzu kamen bald der An- und Verkauf von Gebrauchtwagen sowie der Verkauf von Motorrädern und -rollern, Quads und Trikes.
2002 hatte Thorsten Limbach einen schweren Motorradunfall und ist seitdem unterhalb des 12. Brustwirbels komplett querschnittgelähmt. „Das Handicap habe ich schnell akzeptiert, es spielt für mich heute keine große Rolle“, sagt er. Auf die naheliegende Idee, selbst behindertengerechte Fahrzeugumbauten anzubieten, kam er aber erst nach einer dreijährigen Odyssee: „Mir wurde ein großer Chrysler-Van mit allen möglichen Behindertenumbauten aufgeschwatzt, die ständig Probleme bereiteten“, erzählt er. „Für mich als fitten Para war dieser Van zudem eine klare Überversorgung.“ Und so machte er sich selbst schlau, knüpfte Kontakte zu den Fahrhilfenherstellern und startete 2005 mit individuellen Handicapumrüstungen. Zugute kam dem Unternehmen, dass es in der Region Oberfranken keine vergleichbaren Betriebe gab, obwohl hier viele Kliniken wie etwa das Querschnittgelähmtenzentrum „Hohe Warte“ in Bayreuth angesiedelt sind.

Heute macht der Handicap-Bereich mehr als 50 Prozent des Geschäfts aus

Heute arbeitet Allrad-Limbach mit allen bedeutenden Fahrhilfenherstellern zusammen; der Handicap-Bereich macht mittlerweile mehr als 50 Prozent des gesamten Geschäfts aus. „Unser Bestreben ist, individuell auf die Kunden einzugehen und ihnen alle Optionen für Fahrhilfen anzubieten“, sagt Sandra Limbach. Offeriert werden etwa die verschiedensten Handbediengeräte und Gasringe, Lenkraddrehknöpfe und Commander zur Fernbedienung zentraler Funktionen des Autos, Rollstuhl-Ladesysteme, spezielle Sitzund Liftlösungen. „Bei uns ist eigentlich alles möglich, nur Heckausschnitte bei Minivans machen wir nicht, auch weil wir nicht viel davon halten“, erzählt Sandra Limbach. „Wenn wir für einen ALS-Betroffenen einen Schwenkhubsitz anpassen oder für einen Tetraplegiker einen VW T5 Multivan mit Kassettenlift, 6-Wege-Sitzverstellung und Multima2-Handbedienung mit Multifunktionsdrehknopf ausstatten, ist das schon eine besondere Herausforderung“, ergänzt ihr Mann. Und wenn es eine Umrüstoption einmal nicht vom Hersteller gibt, dann wird zum Beispiel der entsprechende
Sitzadapter selbst gebaut. Auch Traktoren wurden von Allrad-Limbach schon behindertengerecht umgerüstet. Mit dem TÜV arbeitet man Hand in Hand zusammen; der erfahrene Prüfer kommt oft ins Haus, sodass die Fahrzeugabnahmen schnell und unproblematisch erfolgen. Auch mit einer Fahrschule in Bayreuth, die selbst ein umgerüstetes Auto im Pool hat, besteht eine enge Kooperation. Und selbstverständlich können behinderte Kunden mit ihren Fahrzeugen bei Allrad-Limbach den Vorteil der freien Werkstatt nutzen, denn
Reparaturen und Inspektionen sind hier oft preiswerter als bei Vertragswerkstätten.
Dass sich die Kunden bei Allrad-Limbach so gut betreut fühlen, hängt natürlich auch damit zusammen, dass Thorsten Limbach selbst im Rolli sitzt. „Man begegnet sich eben nicht nur körperlich, sondern auch sachlich auf Augenhöhe“, sagt er. Mit dem Außendienstler Günther Mayer ist ein weiterer Rollstuhlfahrer an Bord, der in seiner Freizeit in der 1. Bundesliga Rollstuhl-Basketball spielt. Vier Werkstatt-Mitarbeiter ergänzen das Team des Meisterbetriebs. Und Teamwork zählt für Thorsten Limbach: „Sandra und ich sind zwar die Inhaber, aber wir lassen nicht den Chef raushängen“, betont er.

„Wir sind ein kleines flexibles Unternehmen und keine Umbaufabrik“

„Wir sind ein kleines flexibles Unternehmen und keine Umbaufabrik“, sagt Sandra Limbach. Die 33-jährige Kauffrau ist die Seele des Betriebs und hat – obwohl selbst Fußgängerin – ebenfalls einen guten Draht zu den Kunden mit Handicap, die auch schon mal am Sonntag ihr Fahrzeug in Trebgast abholen. Querschnittgelähmte, die frisch aus der Klinik kommen, sprechen mit ihr offen über ihre Inkontinenzprobleme, denn sie hat schließlich einen solchen „Fall“ in der Familie. „Sandra ist die wichtigste Person im Team und leitet das Geschäft perfekt“, lobt ihr Mann, der sich so ab und zu eine Auszeit gönnen und mit dem Trike auf Tour gehen kann. Leben und Arbeiten gehen bei beiden auch deshalb nahtlos ineinander über, weil die Limbachs auf dem Betriebsgelände wohnen, das selbstverständlich barrierefrei gestaltet ist. Das Gebäudeensemble wirkt einladend und authentisch; vor dem Eingang zur Behindertentoilette sind große Tontöpfe liebevoll drapiert, in denen der Oleander blüht. Man merkt es den Limbachs und ihren Mitarbeitern an, dass ihnen die Arbeit Spaß macht und mit Herzblut geleistet wird.
Ähnlich familiär geht es zu, wenn Sandra von Selbsthilfegruppen zu Vorträgen über Fahrhilfen eingeladen wird, oder Thorsten für eine Probevorführung zum Krankenhaus „Hohe Warte“ fährt. „Teilweise können die querschnittgelähmten Patienten bei der Entlassung aus der Reha-Klinik schon mit einem umgerüsteten Auto selbst wieder nach Hause fahren“, erzählt er. Drei behindertengerechte Fahrzeuge stehen bei Allrad-Limbach für Testzwecke, aber auch als Ersatz -wagen nach Unfällen oder bei Reparaturen zur Verfügung. Die zwei VW Golf und ein Renault Clio sind mit verschiedenen Fahr- und Bedienhilfen ausgestattet, sodass jeder Fahrer mit Handicap hier die für ihn geeignete Lösung finden wird. Und natürlich führt Thorsten Limbach auch seinen eigenen Geschäftswagen, einen Ford Mondeo Turnier, gerne vor. Der schicke Kombi ist für diese Zwecke vollgepackt mit dem Ladeboy von Rausch im Heck, dem Ladeboy S2 mit Schwenktür, dem Multima2-Handbediengerät mit Multifunktionsdrehknopf von Petri + Lehr und verfügt zudem über eine elektrisch öffnende Heckklappe.

Rendezvous zwischen einem BMW und einem Standesbeamten

Heute ist ein großer Tag für Michael Göbbel, denn der 24-jährige Standesbeamte aus Rödental bei Coburg holt seinen BMW 3er-Coupé bei Allrad-Limbach ab. Der Neuwagen wurde direkt vom BMW-Händler zum Umrüster nach Trebgast gebracht und hier mit dem elektronischen Gasring K5 von KIVI ausgestattet. In den zum System gehörigen Bremshebel ist ein Knopf für einen Gassparmodus sowie für die Hupe integriert. Tobias Popp, Kfz-Meister bei Allrad-Limbach, erklärt Michael Göbbel, der seit sechs Jahren querschnittgelähmt ist, die einzelnen Funktionen. Bevor es ans Verladen des Rollis geht, weist Popp auf die kaum sichtbare, aber umso praktischere Lackschutzfolie am Schweller hin, die das Fahrzeug vor Kratzern schützt und vom Kostenträger übernommen wird. Im Falle von Michael Göbbel beteiligt sich das Arbeitsamt an den Kosten für das Auto und die Umrüstung, da er ein Studium zum Verwaltungsbetriebswirt beginnt. Weil er dazu häufig unterwegs sein wird, hat er sich für einen ebenso sparsamen wie kraftvollen Diesel-Motor im zweitürigen BMW 3er-Coupé entschieden. Die manuelle Verladung des Rollstuhls am Fahrer vorbei hinter den Beifahrersitz macht dem sportlichen Paraplegiker überhaupt keine Mühe. „Autofahren ist existentiell für Rollis“, sagt er noch, hupt zum Abschied und braust mit seinem neuen Wagen vom Hof – sicher nicht im Gassparmodus.

Text und Fotos: Gunther Belitz
Auskünfte: Allrad-Limbach,
Bayreuther Straße 48, 95367 Trebgast,
Tel.: 09227/344, Fax: 09227/73375,
E-Mail: mail@allrad-limbach.de

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