„Ergonomisch Arbeiten – Vital bleiben“

„Ergonomisch Arbeiten – Vital bleiben“

„Richtige Arbeitshaltung, optimaler Ausgleich, gezielte Selbstbehandlung“
Autor: Manfred Just, Sportphilologe, Ergonom

Ergonomisches Arbeiten – wozu?
Laut Statistik leiden 80 % der Bevölkerung unter Rückenbeschwerden, davon 50 % sogar chronisch, verdoppeln sich die stressbedingten Belastungen und Krankheiten jährlich, nehmen die berufsbedingten Belastungen drastisch zu. Es ist daher enorm wichtig, den „Produktionsfaktor Gesundheit“ zu pflegen und zu erhalten. Schmerzen, Blockaden in Gelenken, Nachlassen der Qualität und Quantität der Arbeitsergebnisse, Unwohlsein, irgendwann längere Absenzen, chronische Leiden und oft vorzeitiger Ruhestand – das muss
nicht sein!

Schon viele junge Menschen unter 30, stellenweise unter 25 Jahren, leiden unter Hals-Nacken-Beschwerden, Schulter-Arm-Syndrom, Kopfschmerzen, „Kreuzschmerzen“, Ischialgien – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Nicht das kalendarische Alter ist entscheidend, sondern der Grad der einseitigen Belastung. Dagegen kann man etwas tun, denn solche Symptome sind nicht automatisch die Folge des Berufes, sondern meist „hausgemacht“.

Ergonomisch Arbeiten heißt die Lösung. Betrachten Sie also bewusst alle Ihr täglichen Arbeitsabläufe und stellen sich grundsätzlich die Frage: „Welche Teilschritte schaden meiner Gesundheit?“ Analysieren sie Ihre Antworten genau und optimieren sie wo es Ihnen möglich ist.

Die Hauptauslöser
Generelle Hauptursachen für die „typischen“ Beschwerden im jeweiligen Beruf sind die Arbeitshaltungen, der fehlende Ausgleich bzw. die fehlende Entspannungsmöglichkeit während des Arbeitstages und bei z. B. Büroberufen die fehlende Bewegung. Die größte Gefahrenquelle „Arbeitshaltung“ wird durch den vermehrten Einsatz von Computertechnologie noch um einiges erhöht.

Auslöser Arbeitshaltung
Die Arbeit im Büro ist fast ausnahmslos sitzend, die Haltung dabei oft recht gebeugt und unphysiologisch. Abgespreizte Arme, schiefgelegter oder vorgeschobener Kopf („Geierhals“), zu stark gebeugte Beinhaltung, Rundrücken und vermehrte Beanspruchung des Schulter-Arm-Bereiches durch die Maus.

Auslöser Bewegungsmangel
Dieses viele Sitzen und langwierige Verharren bedeutet Bewegungsarmut. Da der menschliche Organismus Bewegung braucht, um gut zu funktionieren, schlägt sich diese chronische Unterforderung in Bewegungsmangelerkrankungen nieder.

Auslöser Arbeitsumgebung und Arbeitsmittel
Zusätzlich verstärkend wirkt die (Arbeits-)Umgebung, wenn z. B. Geräte und Instrumente nicht ergonomisch angepasst sind, „dicke“ und trockene Luft vorhanden ist, die Beleuchtung unvorteilhaft ist und auch der Lärm gesundheitsschädigend wirkt und die Belastung durch elektromagnetische Strahlung immer größer wird (Handy etc.)

Auslöser zusätzliche Risikofaktoren
Zu diesen zwei Hauptauslösern von chronischen Beschwerden kommen noch eine Vielzahl weiterer Risikofaktoren (z. B. Rauchen, Alkohol, Bluthochdruck, Schokolade), die diese verstärken.

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt?!
Die Ursachen sind erkannt – jetzt heißt es handeln. Wer nicht zur schmerzgeplagten Mehrheit gehören will, sollte aktiv die Umgebung und das Verhalten verändern. Bei folgenden Punkten ist dabei anzusetzen:

  • Einrichtung: Arbeitstisch, Stuhl und technische Geräte nach den anthropometrischen Massen des Nutzers optimiert
  • Umgebung: technische Einrichtungen (Klimatechnik, Lärmschutz) und Schutzvorrichtungen (Mundschutz, Schutzbrille), Hilfsmittel (Ergo-Maus, Ergo-
    Tastatur, Spezialbrille)
  • Haltung: optimale Körperhaltung in allen Arbeitssituationen
  • Objekt-Positionierung: Position der Bildschirme, Arbeitsmaterialien, Unterlagen, Objekte
  • Körperliche Einstimmung: Vorbereitung auf den Arbeitstag, „Aufwärmprogramm“?
  • Ausgleich während der Arbeit: Mikro- und Minipausen
  • Ausgleich in der Freizeit: Bewegung
  • Gezielte Behandlung: Methoden der Selbstbehandlung
  • Organisation: optimale Arbeitsplanung und Prozessgestaltung
  • Ernährung / Genussmittel: Menge und die Kombination der Speisen.

Unkonventionell – aber gesund

Das Problem ist: wo sollen Sie anfangen? Die teure Einrichtung können und wollen Sie nichtaustauschen, die Annehmlichkeiten des Lebens wie gutes Essen und ab und zu ein Genussmittelchen wollen Sie auch nicht einschränken, für mehr Sport haben Sie weder Lust noch Zeit.

Aber wie wäre es z. B. mit kurzen Aktivpausen während der Arbeit, z. B. zwischen zwei Kunden? Einer Reckstange im Büro oder in der Praxis? Kundenbetreuung im Stehen?„Verordnetem“ Spaziergang in der Mittagspause? Gesundheit des Teams als Gesprächsthema mit dem Kunden?

„Richtige Arbeitshaltung“ und „Aktive Kurzpausen“
Am Besten ist es, Sie beginnen mit der Beseitigung der zwei wichtigsten Auslöser von Beschwerden, nämlich schlechter Haltung und Bewegungsarmut. Korrekte Körperhaltung „in allen Lebenslagen“ ist die Basis für eine gute „Spezialhaltung“ bei der täglichen Arbeit. Diese wird in Spezialseminaren oder auch Einzelschulungen vermittelt. Hier erfährt man Zusammenhänge und Ursachen für Beschwerden und eignet sich ein Repertoire an nützlichen Übungen für aktiven Ausgleich am Arbeitsplatz während der Arbeit an (Mini- und Mikropausen), denn Bewegung sollte über den Tag verteilt sein – so wie Essen und Trinken. Zudem werden Möglichkeiten für Selbstbehandlungen bei Beschwerden kennen gelernt.

Lösungsvorschlag Bewegung: Mikro- und Minipausen
Aktiver Ausgleich bedeutet, bewusst etwas zu tun, bevor Beschwerden den Arbeitsprozess und das Wohlbefinden beeinträchtigen, also vor allem vor und während der Arbeit.

Vor der Arbeit
Wie steht es mit der Vorbereitung auf die körperlichen Strapazen des beginnenden Arbeitstages?
Die wenigsten absolvieren ein gezieltes „Aufwärmprogramm“ für die Muskulatur und Gelenke, die bei der jeweiligen Arbeit benötigt (oder nie genutzt) werden.

Die Haltemuskulatur des Rumpfes, die Nacken- und Schultermuskulatur und die für die Feinmotorik wichtige Muskulatur der Hände müssen erwärmt, gedehnt, arbeitsfähig gemacht werden. Und dazu brauchen Sie nicht mehr als 5 Minuten – soviel Zeit muss sein.

Während der Arbeit
Ausgleichsübungen sollten ausgeführt werden, bevor Schmerzen und Verspannungen auftreten. Diese Verspannungsprophylaxe ist für das verhindern von Krankheiten genauso wichtig wie warme Kleidung oder ähnliches.

Die Konsequenz dieses Ansatzes heißt: werden Sie schon während der Arbeit aktiv. Diese „ad-hoc“-Ausgleichsübungen müssen die Bedingungen schnell, problemlos, unauffällig und kurz erfüllen. Diese zwangsläufig sehr kleinen Aktivpausen sind „Mikropausen“ mit ca. 15 sec. Dauer, steht mehr Zeit zur Verfügung, sind es bereits „Minipausen“.

Mikropausen
Ziel der Aktivität in der Mikropause ist es, durch gezielte Gegenbewegungen zu typischen Haltungen während der Arbeit besonders beanspruchte Muskelgruppen zu entlasten und lästige Verspannungen und Schmerzen gar nicht erst auftreten zu lassen. Grundsätzlich sollten Mikropausen in den Phasen der Tätigkeit stattfinden, in denen nicht die höchste Konzentration und Präzision erforderlich ist.

Minipausen
Bei Minipausen ist kein Kunde und evtl. auch kein Arbeitskollege anwesend und auch der Zeitdruck ist nicht so groß wie sonst. Damit ist automatisch das Repertoire an möglichen Übungen größer. Hier ist es besonders günstig, Übungen im Stehen durchzuführen und dadurch die Sitzmonotonie zu durchbrechen.

Raumwechsel, Gang zum Postfach oder Kopierer o. ä. können gut damit verknüpft werden. Damit ist gleichzeitig ein kleiner Beitrag zu Beseitigung des Bewegungsmangels geleistet. Treten trotz dieser Maßnahmen Verspannungen oder chronische Schmerzen auf, sollten Methoden der Selbstbehandlung angewandt werden wie z. B. JUST-FIVE oder Akupressur. Worauf dabei zu achten ist, können Sie in einer der nächsten Ausgaben lesen.

Damit Sie sich bei der Umsetzung dieser Tips leichter tun, finden Sie im Anschluß je zwei Übungen für Aufwärmen, Mikropause und Minipause.

Aufwärmprogramm

Aktives Greifen
Ausgangsstellung:
Stand oder Sitz, Oberkörper aufrecht, Arme Hoch-, Vor- oder Tiefhalte: Dann: Hand zur Faust ballen und wieder öffnen, aktive Greifbewegung Variation: Verbinden mit Armdrehung Wirkung: Durchblutung Hände, Aktivierung Motorik vordere Extremität

Kraulen
Ausgangsstellung:
Sitz oder Stand, Oberkörper aufrecht, Arme angewinkelt, Oberarme abgespreizt:
dann: gleichzeitiges Kreisen beider Oberarme nach vorne, dabei versuchen, mit den Oberarmen die Ohren zu berühren

Variation 1: Kreisen nach hinten
Variation 2: Kreisen nacheinander (Kraulbewegung)Wirkung: Mobilisation im Schulterbereich, Dehnung der Rumpfseitmuskulatur, Kräftigung der Schultermuskulatur
Achtung: Nicht mit dem Kopf zum Arm, nicht mit dem Oberkörper ausweichen

Mikro-Übungen

Pinguin
Ausgangsstellung:
Sitz, Oberkörper aufrecht, Arme hängen locker herunter:
Dann: zusammenkauern, Daumen nach innen drehen, Kopf hängen lassen, ausatmen
Dann: aufrichten, Daumen nach außen drehen, Rücknahme der Schultern (Schulterblätter schließen), den Kopf in den Nacken nehmen, einatmen.
Wirkung: Sagittalbewegung der Wirbelsäule, Dehnung bzw. Kräftigung aller dabei beteiligten Muskelgruppen

10-Euro-Übung
Ausgangsstellung:
Sitz, Oberkörper aufrecht, Arme hängen locker herunter:
Dann: gewinkelte Arme auf Schulterhöhe heben, Oberkörperdrehung nach rechts, dabei rechten Arm strecken und drehen (Hand aufhalten) und Kopf drehen, dto auf der linken Seite.
Wirkung: Horizontallbewegung der Wirbelsäule, Drehung des Schultergelenks, Dehnung bzw. Kräftigung aller dabei beteiligten Muskelgruppen

Minipause

Dehnung am Türrahmen
Ausgangsstellung:
Stand, rechter Arm gestreckt seitlich abgespreizt, Hand hält sich am Türrahmen (Schrank) fest
Dann: Drehung des Oberkörpers nach links, bis Dehnung im Brustbereich spürbar ist, dann 15 Sekunden halten
Variation: Handhaltung höher oder tiefer
Wirkung: Dehnung der Brust- und Schultermuskulatur
Achtung: langsam dehnen, nicht federn, 15 Sekunden halten, wechseln

Aushängen
Ausgangsstellung:
Handfassung über Kopf an Stange oder Sprossenwand oder Türrahmen
Dann: Hinhängen und versuchen, ab Schulter abwärts zu entspannen, evtl. etwas schwingen
Variation: Klimmzüge
Wirkung: Dehnung Rumpfmuskulatur, Kräftigung Schulter-Armbereich, Entlastung Wirbelsäule, vor allem Bandscheiben

Kontaktadresse:
Manfred Just
Am Ries 6
91301 Forchheim

Tel. (0 91 91) 73 57 00
info@just-institut.de
www. just-institut.de

Literatur:
Bisherige Buchveröffentlichungen:

  • Manfred Just: KÖRPERSCHULE, Entspannung – Haltung – Bewegung, DIAVOLOVerlag,
    Forchheim, 1994, 180 Seiten, Euro 10,00
  • Manfred Just, Richard Hilger: Rückenschule für das zahnärztliche Team, Thieme
    Verlag, Stuttgart, 2004, 260 Seiten, 3. Auflage, Euro 49,90
  • Manfred Just: Körperschule für Pflegekräfte, Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover
    2000, 96 Seiten, Euro 8,00
  • Manfred Just / Werner Jungkunz: „Schmerz lass nach“, Universum-Verlag Wiesbaden
    2003, 2. Auflage, Euro 19,50

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