„Multitalent“ Kreuzschmerz

„Multitalent“ Kreuzschmerz

Der Bereich zwischen unterem Rippenrand und oberem Beckenkamm dürfte wohl die Zone am menschlichen Körper repräsentieren, welche am häufigsten von Schmerzattacken heimgesucht wird und trotz hoch moderner Medizintechnik und Therapie-Know-How noch immer keine zufriedenstellenden Behandlungsergebnisse erzielt werden können.

Es gibt wohl kaum ein Thema, dass in medizinischen Veröffentlichungen so häufig behandel wird als das Problem Kreuzschmerz. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der Menschen, die unter akuten oder chronischen Rückenbeschwerden leiden, permanent gestiegen. Das Einstiegsalter für Kreuzschmerzen verlagert sich nach unten und heute ist es nicht selten, dass selbst Schulkinder unter dem Beschwerdebild des unteren Kreuzschmerzes leiden.

Trotz hoch moderner Technik im Bereich der bildgebenden Diagnoseverfahren und einer Unmenge von erhobenen Daten ist die Zuordnung von Schmerzgeschehen problematisch. Therapiestrategien die auf der Grundlage der diagnostischen Erkenntnisse eingeleitet werden, liefern in der Konsequenz häufig nicht die beabsichtigten Behandlungsresultate. Nicht selten bleibt der unbefriedigende letzte Weg in eine Dauermedikation mit Schmerzmitteln. Statistisch gesehen gibt es eine Diskrepanz zwischen eingesetzten Mitteln und erzieltem Erfolg.

Möglicherweise liegt die Ursache in einer zu isolierten Betrachtung des Problems. Durchaus wird heute hinsichtlich der Entstehungsfaktoren schon ein weites Feld berücksichtigt. Verschiedenste Einflüsse werden mit in Betracht gezogen. Z.B. körperliche Belastung, psychische Komponenten, soziale Beeinflussung, lokale Erkrankungen usw. Und dennoch scheint  es so, als würde man jedes einzelne für sich „behandeln“ können. Die Wechselwirkung aller möglicher Einflussnahmen ist unter Umständen dafür verantwortlich zu machen, dass dieses Problem so schwer in den Griff zu bekommen ist. Betrachtet man die Wirbelsäule isoliert, so ist sehr schnell die Gesetzmäßigkeit  ihrer Funktion erkennbar und nach den Gesetzen der Mechanik jede Form einer Störung abzuleiten. Allerdings begeht man vielleicht genau den Irrtum hierin.

Der menschliche Körper ist immer bestrebt, seine Funktionen aufrecht zu erhalten, was eine technische Maschine nicht kann, und somit wird das ganze Geschehen unberechenbarer. Nach den Vorstellungen der Logik gehen wir davon aus, dass unser Körper dann das Richtige oder Nützliche als Kompensation unternimmt, und genau da beginnt das Desaster. Unser Körper reagiert eben, er versucht z.B. Gleichgewichte aufrecht zu erhalten. Ob dieses dann tatsächlich für ihn positiv ist, kann er nicht bewerten. Unsere Wirbelsäule ist unterschiedlichsten Einflüssen unterworfen. Als erstes muss sie natürlich unsere Aufrichtung gewährleisten.

Aufrichtung ist zum einen eine einfache Leistung von Knochen, Muskeln und Bändern, jedoch steckt in dieser Aktion auch das Wort „aufrecht“ drinnen. Überlegen Sie einmal, welche Bedeutung dieses Wort noch hat. Ein anderer Aspekt ergibt sich, wenn wir unsere Wirbelsäule als Teil unseres Rumpfes betrachten. Sie liegt inmitten darin und reagiert auf die Veränderungen ihrer Umgebung. Wenn von rückwärts betrachtet Knochen und Muskeln eine wesentliche Rolle spielen, so wird diese flexible Kette (Wirbelsäule) von vorne durch die da befindliche Umgebung beeinflusst. Die Spannung des Bauchraumes, der Zustand unseres Darms, der Druck der Aorta, die Hüllen von Nieren und Leber und jeder Störung der Normalität dieser Strukturen initiiert eine Reaktion unseres Körpers, mit der Absicht, sein Gleichgewicht aufrecht zu erhalten.

Sie sehen schon, wie schwierig es sein kann, hier einen geeigneten Leitfaden für eine erfolgreiche Therapie zu finden. Und der gut gemeinte Rat „Du musst Deine Rückenmuskeln stärken“, entspricht manchmal einer sehr einfachen Betrachtung der Situation und kann manchmal ein Bärendienst sein. Dann nämlich, wenn unser Körper beschlossen hat, aus welchem Grund auch immer, reflektorisch die Leistungsfähigkeit unserer Rückenmuskulatur zu begrenzen.

Es bedarf viel Erfahrung, Kreativität und Toleranz um alltägliche Rückenbeschwerden seinen Ursachen nach zuzuordnen und erfolgreich zu therapieren. Die Erfahrung zeigt, dass durchaus eine gute Chance besteht, wenn Interdisziplinär zusammengearbeitet wird, seine Rückenprobleme zu mildern, bzw. sie gänzlich los zu werden.

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